Vorwort

Vorwort

Wut stieg in mir auf. Sie kam langsam und brach sich Bahn durch meinen ganzen Körper. Meine Hände formten eine Faust und verkrampften. Sabine, meine Frau, hat beobachtet, dass ich in letzter Zeit immer häufiger dazu tendierte, Verschwörungstheorien anzuhängen, wenn unsachgemäße Entscheidungen, Fehlurteile und der fahrlässige Umgang mit öffentlichen Geldern zu milliardenschweren Fehlentwicklungen führten.

Nur: meine Wut blieb und ich wusste nicht, wohin mit ihr. Als mein Vertrauen in die Politik schwand, fühlte sich mein Umgang mit den Folgen dieser vertrauensunwürdigen Politik hilflos an. Da war Veränderung angesagt. Denn ich will nicht als Griesgram alt werden. Ich bin jetzt noch nicht einmal 50 Jahre alt. Wohin soll das führen, wenn ich diesem Gefühl der Ohnmacht nicht etwas entgegen setzen kann? Zur Einsamkeit in norwegischer Wildnis? Zur Kauzigkeit in der Großstadt? Zum Abklatsch des zornigen Gernot Hassknecht aus der heuteshow?

Ich will mir nicht mehr dreist ins Gesicht lügen lassen. Ich will die Folgen einer Klientelpolitik nicht mehr tragen, wo diejenigen mit den besten Lobbyisten ihre Interessen durchzusetzen vermögen und andere die Zeche zahlen lassen.

Ich will mich nicht mehr regieren lassen.

Es gibt die technischen Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Mitbestimmung durch das Volk. Was in den Gründerjahren dieser Republik noch unmöglich zu sein schien, ist jetzt machbar: Wir alle könnten über die Gesetze abstimmen, über die in der Europäischen Union, im Deutschen Bundestag und in den Landtagen der Bundesrepublik entschieden wird. Und wir könnten über Gesetzesvorhaben abstimmen, die im Netz des 21. Jahrhunderts erst entstehen: Die res publica, die Angelegenheiten des Volkes, erhalten dadurch ein ganz neues Gewicht.

Wir alle, jede Bürgerin und jeder Bürger gleichermaßen, könnten nun über die Dinge abstimmen, die uns alle angehen. Diese Abstimmungen werden, wenn sich diese Idee erst Raum verschafft, die politischen Entscheidungsprozesse vom Kopf auf die Füße stellen. Statt aufwendige behördliche Volksbegehren und Volksentscheide zu organisieren, werden einfach alle (!) Gesetze in einem geordneten und registrierten Verfahren im Internet zur Abstimmung gestellt und das Abstimmungsergebnis vor der Abstimmung in den jeweiligen Parlamenten den Volksvertretern mitgeteilt. Mein hier vertretener Vorschlag eines Volksparlamentes ersetzt mithin nicht die Landtage, den Deutschen Bundestag, das Europaparlament oder den EU-Ministerrat. Er stellt allerdings diesen Parlamenten ein Gremium an deren Seite: das Volksparlament.eu. Wie das Volksparlament.eu funktionieren könnte, stelle ich in diesem Buch vor.

Ich habe dieses Buch schreiben müssen. Dafür gab es ganz egoistische Gründe: Meine Wut, meine Ohnmacht brauchte ein Ventil. Ich gebe frei heraus zu, dass ich mich vornehmlich mit solchen Gesetzen befassen werde, die mich angehen, von deren Geltung direkt mein eigenes Wohl und Wehe abhängt oder beeinflusst wird. Vermutlich werde ich in Bereichen weniger Interesse an einer Abstimmung haben, wenn ich nicht erkenne, dass sie mich betreffen. In den Bereichen, die mich betreffen, werde ich allerdings an einer Abstimmung teilnehmen und dann auch die Folgen einer Mehrheitsentscheidung solidarisch tragen.

Ich habe einen Selbstversuch durchgeführt. Ich habe über alle Gesetze, die im Deutschen Bundestag verabschiedet wurden, abgestimmt. Das mache ich jetzt seit mehr als einem Jahr. Seit ich dies tue, merke ich den Unterschied zur reinen Zuschauerrolle: Erstens ist das Abstimmen nicht so schwierig, wie ich dachte. Zweitens dauert es gar nicht so lange, wie ich dachte. Und Drittens wundere ich mich über die Erleichterung, quer zu den bekannten parteipolitischen Rangeleien und Ränkespielen, quer zu den bekannten links-rechts-liberal-öko-Schienen einfach in der Sache zu entscheiden. So, wie ich es außerhalb der Politik verantwortungsbewusst schon seit mehr als drei Jahrzehnten tue.

Wer nicht mehr „die Politiker“ machen lassen will, wie es ihnen gefällt, sondern wer selbst über sein Wohl und Wehe abstimmen will, der sollte dieses Buch lesen. Viel Spaß dabei.

Potsdam, April 2013 Ralph Krech