Dieses Recht des Volkes auf Teilhabe an politischen Entscheidungen durch Abstimmungen zu erstreiten ist in Wahrheit wohl ähnlich gewichtig, wie die Notwendigkeit, unsere Grundrechte täglich zu verteidigen. Der Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, Helmut Heinen, sieht die Pressefreiheit in Gefahr, weil sie zunehmend durch „Sicherheitsgesetze zur Terrorabwehr“ eingeschränkt wird. Alt-Bundespräsident Wulff rief anlässlich des 60. Jahrestags der Verabschiedung der UN-Menschenrechtskonvention dazu auf, dem Dialog von Juden, Christen und Moslems neue Impulse zu geben. Ein breites Bürgerbündnis gegen Rechts organisiert anlässlich einer NPD-Veranstaltung eine „Meile der Demokratie“: Sie alle machen darauf aufmerksam, dass unsere Grundrechte Gefahr laufen, im Alltag ihre Geltung als Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat zu verlieren, wenn wir, die Bürger, diese Rechte nicht einfordern – für uns, für unseren Berufsstand oder für andere, die nicht die Kraft haben, sich diesen Grundrechtsverletzungen zu erwehren.
Schauen wir uns deshalb unsere Grundrechte an:
Unsere Grundrechte sind in Artikel 1 bis Artikel 19 garantiert. Sie sind, ich wiederhole dies der Wichtigkeit wegen noch einmal, Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat, gegenüber staatlichem Handeln. Dies bedeutet, dass der Staat keine Gesetze verabschieden darf, die gegen eines dieser Grundrechte verstößt oder dieses Grundrecht unzulässig einschränkt. Die Grundrechte schützen uns Bürger auch davor, dass der Staat uns in unserem Leben, beispielsweise durch Verwaltungshandeln, unzulässig beschränkt.
Unsere Grundrechte sind, wenn man so will, auf drei Ebenen angesiedelt: Artikel 1 stellt mit der Garantie der Menschenrechte eine allgemeine Basis dar, die durch staatliches Handeln nicht verletzt werden darf. Dieses Grundrecht darf nicht eingeschränkt werden; es gilt universell. Es verbietet Menschenrechtsverletzungen und garantiert ein „menschenwürdiges“ Umgehen des Staates mit seinem Volk. Beispielsweise verstößt die im Luftsicherheitsgesetz des Jahres 2005 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Abschussbefugnis eines Passagierflugzeugs durch die Streitkräfte gegen die Menschenwürde, selbst wenn ein Flugzeug von Terroristen gekapert und als Waffe gegen andere Menschen eingesetzt werden soll. „Unter der Geltung des Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (Menschenwürdegarantie) ist es schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich in einer derart hilflosen Lage befinden, vorsätzlich zu töten“, entschied das Bundesverfassungsgericht und kippte das Gesetz (unter anderem) wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde.
Auf einer zweiten Ebene finden wir Grundrechte, die für alle Menschen gelten, die in der Bundesrepublik Deutschland leben („Jedermann-Grundrechte“): Hierzu zählt das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, die Allgemeine Handlungsfreiheit, die Freiheit der Person, sowie das Recht auf Leben und das Recht auf körperliche Unversehrtheit; das Grundrecht auf Gleichheit, Gleichberechtigung und Anti-Diskriminierung; die Glaubens- und Gewissensfreiheit, sowie das Recht auf Kriegsdienstverweigerung; die Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit, die Pressefreiheit sowie die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft; der Schutz von Ehe und Familie; das Recht auf Schulwahl, auf Erteilung und Teilnahme am Religionsunterricht und das Recht zur Errichtung von Privatschulen; das Recht, sich in Vereinigungen zusammenzuschließen, wenn diese Vereinigungen der Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen, das Brief- und Postgeheimnis; das Verbot der Zwangsarbeit; das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung; das Recht auf Eigentum; das Petitionsrecht; und das Recht auf freien Zugang zu den Gerichten, sowie das Recht auf effektiven Rechtsschutz.
Auf einer dritten Ebene gibt es die sogenannten Deutschengrundrechte, die also nur deutschen Staatsbürgern gewährt werden, wie dem Recht auf Freizügigkeit, dem Versammlungsrecht, dem Recht Vereinigungen zu gründen oder ihnen beizutreten, dem Berufsfreiheitsrecht, sowie dem grundrechtsgleichen Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern und dem aktiven und passiven Wahlrecht.
Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht grundrechtsgleiche Rechte erst durch seine Rechtsprechung geschaffen. Dazu gehören das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Diese vier Rechte sind im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Gleichwohl haben sie inzwischen Verfassungsrang.
In unserem Leben begleitet uns die Verfassung in vielen unserer Lebensbereiche; unsere Grundrechte schützen uns vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates in unser Leben. Diese Grundrechte und die in Artikel 20 des Grundgesetzes garantierten Prinzipien der Ausübung staatlicher Macht, nämlich Rechtstaat, Gewaltenteilung, Föderalismus und Sozialstaat, machen die besondere Stärke unserer Verfassung aus. Sie machen mich froh und dankbar, vielleicht auch stolz, in der Bundesrepublik Deutschland zu leben.
Ich werde nie meine erste Demonstration vergessen, an der ich mit etwas Angst aber der Gewissheit eines 14-jährigen, das Richtige zu tun, teilgenommen habe. Als ich vor einigen Jahren zusammen mit vielen anderen Eltern eine Schule gründete und unser Sohn im ersten Jahrgang dieser Schule eingeschult wurde, war dies für mich ein weiterer Beweis dafür, wie wichtig es ist, seiner Grundrechte bewusst zu sein.
Seit meinen Jugendtagen hatte ich unser Grundgesetz immer wieder zur Hand. Es liest sich erhaben. Seine Sprache ist klar und stark – kein Wort ist zuviel oder unwichtiges Füllsel. Unsere Verfassung ist gut durchdacht und wirkt auch nach weit über 60 Jahren nicht altbacken, sondern modern – und sie ist Vorbild für Verfassungsreformen in anderen Ländern.